dbb Jahrestagung 2020

Ideenwerkstatt für den öffentlichen Dienst

Foto: VRB
Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach und der VRB-Vorsitzende Matthias Stolp
Am 6. und 7. Januar 2019 fand in Köln die 61. dbb Jahrestagung statt. Zum traditionellen politischen Auftakt verkündete der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach erneut einen höheren Personalbedarf im öffentlichen Dienst. Trotz der akuten Probleme entwickelt der gewerkschaftliche Dachverband mit Hochdruck neue Ideen für die Zukunft des Staatsdienstes. Rund 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Medien folgten im Weiteren den Reden von Innenminister Horst Seehofer, Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Für den VRB nahm der Vorsitzende Matthias Stolp an der Tagung teil.

300.000 Menschen fehlen laut einer Verbandsabfrage des dbb derzeit im öffentlichen Dienst. „In der frühkindlichen Bildung, in Schulen und Berufsschulen, bei den Sicherheitsbehörden, in der Justiz und den Finanzämtern, im Gesundheitsdienst, in der Pflege, in der Sozialen Arbeit, im technischen Dienst, bei den Bürgerdiensten, in der Lebensmittelkontrolle, in Natur- und Umweltschutz“, nannte Silberbach als Beispiele in seiner Auftaktrede und ergänzte: „In den kommenden zehn Jahren werden zudem mehr als 1,3 Millionen Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Damit steht uns ein ganz gewaltiger Verlust von Arbeitskraft und Knowhow ins Haus. Das ist wirklich dramatisch. Wir müssen schleunigst die Beine in die Hand nehmen und zusehen, dass wir den öffentlichen Dienst mit sinnhafter Digitalisierung und nachhaltiger Personalpolitik fit für die Zukunftsaufgaben bekommen.“

Silberbach warnte vor den gravierenden Folgen für Land und Gesellschaft, sollten dringend nötige Investitionen weiterhin ausbleiben. „60 Prozent der Bevölkerung halten den Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben für überfordert. Das ist alarmierend. Wir verspielen ein Stück Zukunft in Deutschland, wenn wir den Sanierungsfall öffentlicher Dienst jetzt nicht zukunftsfest machen. Dann kippt nicht nur die Stimmung gegenüber dem Staat, sondern dann ist irgendwann auch der Punkt erreicht, an dem der öffentliche Dienst kein Standortvorteil für Deutschland mehr ist“, betonte der dbb Chef. „Die Zeiten, in denen der Rotstift immer wieder an den öffentlichen Dienst gesetzt wird, müssen endgültig und nachhaltig vorbei sein. Unserem Land und den Menschen, die hier leben, stehen zahlreiche Herausforderungen ins Haus, bei denen ein gut funktionierender öffentlicher Dienst stets Teil der Lösung ist. Ob Konjunktur, demografischer Wandel, Migration oder digitale Transformation – in allem steht oder fällt unser Gemeinwesen mit der Qualität der Daseinsvorsorge.“

Mit Blick auf die in der zweiten Jahreshälfte anstehende Einkommensrunde für die Beschäftigten von Bund und Kommunen erwartet der dbb deutliche Signale. „Es geht um Wertschätzung und Wettbewerbsfähigkeit“, so Silberbach. Auch das Thema Arbeitszeit habe in den vergangenen Jahren an Fahrt gewonnen. „Flexibilität und Souveränität sind hier die Stichworte. Wir nehmen wahr, dass das den Kolleginnen und Kollegen auf den Nägeln brennt. Und für die junge Generation, die wir gewinnen wollen, ist das ohnehin ein Topthema.“ Die seit 2004 von 38,5 auf 41 Wochenstunden angehobene Arbeitszeit für die Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten bezeichnete der dbb Chef als „einseitiges Sparen zu Lasten einer Gruppe“.

Eine klare Absage erteilte der dbb Bundesvorsitzende wiederkehrenden Versuchen einer Aushöhlung des Beamtenstatus, etwa durch die Schaffung von Einheitsversicherungen oder die Einführung eines Streikrechts für Beamtinnen und Beamte. Das besondere Dienst- und Treueverhältnis sei „Dreh- und Angelpunkt für die Verlässlichkeit unseres öffentlichen Dienstes ist der Beamtenstatus, ein Erfolgsmodell und Aushängeschild“, unterstrich Silberbach. Es gelte, das Berufsbeamtentum durch Modernisierung und Motivation zukunftsfest zu gestalten. Mit dem Gesetz zur Modernisierung der Strukturen des Besoldungsrechts auf Bundesebene sei ein entsprechender Einstieg geschafft, aber „das reicht uns noch nicht“, kündigte Silberbach gegenüber Bundesinnenminister Horst Seehofer an.

Seehofer wiederum betonte: „Ich bin stolz auf die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes.“ Auf die Beschäftigten sei Verlass. Damit dies so bleibe und man den Anforderungen an eine moderne Verwaltung gerecht werden könne, sei es nun notwendig, Ideen für die Zukunft zu entwickeln. Mit der vom dbb schon lange geforderten Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes erhoffe man sich eine weitere Modernisierung. „Wir wollen ein für das Zusammenarbeiten von Dienststellen und Personalvertretungen gutes Gesetz schaffen“, betonte der Bundesinnenminister.

Seehofer nutzte die dbb Jahrestagung auch, um Gewalt gegen Beschäftigte des Staats und extremistischen Tendenzen im öffentlichen Dienst erneut eine klare Absage zu erteilen. Dies seien „Angriffe auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und damit gegen uns alle. Es ist nicht hinnehmbar, wenn der Polizei und den Rettungskräften, aber auch anderen Repräsentanten des Staates, kein Respekt entgegengebracht wird, wenn sie an ihrer Arbeit gehindert oder sogar Gewalt gegen sie angewendet wird“, machte Seehofer deutlich und betonte, dass die Bundesregierung alles unternehme, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Neben strafrechtlichen Verschärfungen sei es „erforderlich, das gesellschaftliche Klima gegenüber uniformierten Polizei- und Rettungskräften zu verbessern sowie den Respekt und die Anerkennung gegenüber diesen zu stärken.

Mit Blick auf die im Herbst anstehende Einkommensrunde für die Beschäftigten von Bund und Kommunen unterstrich der Bundesinnenminister, dass der öffentliche Dienst im massiven Wettbewerb mit der Privatwirtschaft und qualifiziertes und motiviertes Personal stehe. Deswegen sei die Schaffung attraktiver Einkommens- und Arbeitsbedingungen weiterhin von großer Bedeutung. Ihm sei bewusst, so Seehofer, dass den Menschen im öffentlichen Dienst auch das Thema Arbeitszeit auf den Nägeln brenne. Hier seien stets die jeweiligen Anforderungen der Dienststelle und die Interessen der Beschäftigten zum Ausgleich zu bringen. Gleichwohl stellte Seehofer klar, dass eine Gleichung mehr Personal und weniger Arbeitszeit aktuell nicht aufgehen könne. Daher sei zunächst für eine ausreichende Personalausstattung zu sorgen, im Anschluss könne man sich dem Thema Arbeitszeit widmen.

Am zweiten Tag der Veranstaltung präsentierte dann der dbb ein Werkstattpapier zur Modernisierung des Staatsdienstes und startete dazu einen Dialogprozess. Der öffentliche Dienst der Zukunft muss demnach agil, vielfältig und digital sein. „Nur ein personell wie technisch gut und vielfältig aufgestellter, modern agierender und beweglicher öffentlicher Dienst wird die Herausforderungen der Zukunft meistern und seine Arbeit mit der Rückendeckung einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz leisten können“, erklärte der dbb Bundesvorsitzende Silberbach anlässlich der Präsentation der Ideenskizze mit dem Titel „Aufbruch – Der öffentliche Dienst der Zukunft“. Nach Vorstellung des dbb ist der öffentliche Dienst der Zukunft: a) mobil, agil und vielfältig, b) bürgernah und leistungsstark – analog wie digital, c) ein attraktiver Arbeitsplatz, d) top-ausgestattet und top-qualifiziert – jederzeit, e) geschätzt und wertschätzend gegenüber seinen Beschäftigten und f) mitbestimmt und mitgestaltet von starken Personalvertretungen.

„Akzeptanz wird der öffentliche Dienst nur dann erreichen können, wenn er den Staat als ‚Spiegel der Gesellschaft‘ repräsentiert mit einer vielfältigen Beschäftigtenstruktur, digitalen Dienstleistungen und einer wertschätzenden respektvollen Teamkultur“, machte dbb Chef Silberbach deutlich. Auch auf dem Arbeitsmarkt werde der öffentliche Dienst als größter Arbeitgeber Deutschlands im Wettbewerb um die Leistungsträger von morgen nur dann punkten können, wenn er ins Profil der Berufseinsteiger von heute passe. Auf dem Weg dorthin sei der Staatsdienst allerdings noch kaum aus den Startlöchern gekommen. „Die Ausgangslage ist weiterhin überhaupt nicht prickelnd. Erneut hat der vom Nationalen Normenkontrollrat herausgegebene Monitor ‚Digitale Verwaltung‘ Deutschland nur auf einen der hinteren Ränge im EU-weiten Vergleich verwiesen. Ob die Fahrzeuganmeldung per Klick oder Sozialleistungen via Onlineformular – die Menschen beklagen immer wieder, dass etliche Bürgerservices noch immer nicht digital angeboten werden. Eigentlich sollen bis zum Jahr 2022 zahlreiche öffentliche Dienstleistungen auf den Plattformen der Verwaltungen zur Verfügung stehen. Aber Verwaltungs- und Digitalisierungsexperten halten es für unrealistisch, dass binnen des vorgegebenen Zeitraums tatsächlich alle 575 Verwaltungsdienstleistungen online angeboten werden.“

Entscheidend für ein Gelingen der digitalen Transformation sind aus Sicht des dbb die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes selbst: „Sie tragen und gestalten den Modernisierungsprozess, deswegen müssen sie von Beginn an einbezogen, mitgenommen und fit für die neuen Aufgaben gemacht werden“, so Silberbach. Vor diesem Hintergrund begrüßte er, dass der Bund bereit für den Abschluss eines Digitalisierungstarifvertrags sei. „Der dbb versteht sich mit Blick auf den Veränderungsprozess als gesellschaftliche Kraft, die den politischen Diskurs vorantreibt und hierbei alle Akteurinnen und Akteure mitnimmt“, erläuterte der dbb Chef. Die dbb Ideenskizze sei eine Einladung an alle zum offenen Dialog über „unseren öffentlichen Dienst. Seine Zukunft geht alle an, weil er unser aller Zukunft ganz entscheidend prägen wird“, betonte Silberbach.

Der dbb hat zu der Ideenskizze und dem Dialogprozess eine Sonderseite dbb.de mit allen Informationen eingerichtet. Neben den politischen Grundsatzreden des dbb Bundesvorsitzenden und des Bundesinnenministers sowie der Präsentation des dbb Werkstattpapiers standen bei der Jahrestagung auch weitere gesellschaftspolitische Themen auf dem Programm. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hielt eine Rede zum Thema „Einigkeit und Recht und Freiheit – 30 Jahre Wiedervereinigung“ und diskutierte im Anschluss mit dem Politologen Herfried Münkler, Juso-Chef Kevin Kühnert und dem Juli-NRW-Vorsitzenden Jens Teutrine über aktuelle Herausforderungen für die Demokratie. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ging in seiner Rede auf die Bedeutung des öffentlichen Dienstes für Staat und Gesellschaft ein.

Um die Frage „Wie tickt Jugend politisch“ drehte sich der Impulsvortrag von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, die ihre Thesen anschließend mit der dbbj Vorsitzenden Karoline Herrmann, dem Freiburger Oberbürgermeister Martin W. W. Horn und Fridays-for-Future-Aktivist Quang Anh Paasch diskutierte.

Über die dbb Ideenskizze „Aufbruch – der öffentliche Dienst der Zukunft“ sprach dbb Chef Ulrich Silberbach nach deren Vorstellung mit der innenpolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion MdB Irene Mihalic, der Bevollmächtigten des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und in Europa Heike Raab, der Wissenschaftlerin beim Fraunhofer FOKUS-Institut Nicole Opiela sowie dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg.

Der Vorsitzende des VRB Matthias Stolp zog ein positives Tagungsresümee und wies auf den Personalmangel in der Justiz hin. „Das Personal ist die wichtigste Ressource der Justiz. Im Hinblick auf die wachsenden Aufgaben, insbesondere im Zusammenhang mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs, und den Anforderungen der demografischen Entwicklung steht die Justiz vor großen Herausforderungen. Eine verbesserte Personalausstattung ist notwendig, um diesen Herausforderungen zu begegnen“, so Stolp.

Alle Informationen sowie Bilder und Video der dbb Jahrestagung 2020 gibt es auf dbb.de.

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